Warum wir so ahnungslos beim Thema Tod sind.
Da waren sie gerade wieder - Allerheiligen und Allerseelen. Die einzigen beiden Tage im Jahr zu denen das Gruselthema Tod (abseits von Kriegsberichten, Attentaten, Morden oder 2020 auch einfach nur COVID-19 Zahlen) auch gerne von den Medien aufgegriffen wird, um Zuseherzahlen zu generieren. Der Tod darf endlich einmal einfach nur „Tod“ sein. Der menschliche, der, der uns allen versprochen ist. Da ist es dann OK, wenn man mal wieder dran denkt und selbst die größten Friedhofsmuffeln lassen sich mit: “Du, das g’hört sich schon, dass wir deine Eltern besuchen“ zu einer Stippvisite am Friedhof überreden.
An allen Ecken und Enden hört man dann in dieser Zeit: “unsere Bestattungskultur ist im Wandel“. Und es ist fast schon ein Modewort geworden – manch Einer gibt sich besonders aufgeschlossen. Man könnte glauben, wir wären schlauer geworden oder hätten aus Erkenntnissen gelernt „so macht man’s richtig“. Aber genau das Gegenteil ist Fall.
Die Wahrheit liegt vielmehr in unserer Ahnungslosigkeit.
Der Hinterbliebene ist heute viel mehr „überforderter Kunde“ denn je – kann er/sie doch aus zig Bestattungsformen wählen. Von Farben und Formen, von Produkten und Musikstücken, von Orten und technischem Firlefanz sei hier gar nicht gesprochen.
Noch nie war ein Entscheidungsträger in seinem Planungsumfang so überfordert. Noch nie der Verkauf beim Bestatter ein so zeitaufwendiger.
Vor zehn Jahren hat ein durchschnittliches Aufnahmegespräch 45 Minuten gedauert.
Nimm dir heute lieber mal zwei Stunden Zeit.
Und warum?
Eben weil wir drauf und dran sind unsere Traditionen zu verlieren.
Deren Wandel ein immer mehr weich gespültes, flach gespieltes und abgehobeltes Abbild unseres vormaligen Selbstbildes geworden ist. Ich spreche hier vom Einheitsbrei, den wir konsumieren und selbst produzieren. Erwartungsgemäß, berechenbar, erahnbar. Eben weil wir „individuell sein wollen“ und doch nur fertige Produkte konsumieren wollen. Alles nach Rezept und doch nur „am Erfolg, Reichtum, Glück des Anderen“ Maß nehmen.
Zu weit weg vom eigentlichen Thema? Keineswegs. Gerade in unserer Bestattungskultur haben wir die größten Defizite und den meisten Nachholbedarf zu verzeichnen – ist unsere Ahnungslosigkeit am Schlimmsten.
Wir substituieren "erlebenswert" mit "erlebbar" - "des Kaufens wert" mit "kaufbar"
Da kann und möchte man Wählen aus zig Sarghölzern - aus dutzenden Griffen und Schrauben für den Deckel. Tausende Urnenfotos schmücken shop-Portale auf Bestattungs-Seiten und der Kunde möchte gustieren können aus vorgefertigten Parten-Texten und Hintergrundbildern in unendlichen Schriftstilen. Denn das macht ein Begräbins wirklich schön.
„Ich möchte es eigentlich anders machen als MAN ES ERWARTERT – aber was werden die anderen sagen?“
„Ich möchte kein 0815, ich habe schon von so vielen Begräbnis Fiaskos gehört – aber wie macht man das dann richtig?“
„Ich war schon auf so vielen Begräbnissen – schön, aber einfach nur schrecklich“
Wir durchleben in unserer Bestattungskultur gerade eine Zeit der Dualität. Wir versuchen uns vom „ewig Gestrigen“ zu lösen und halten uns doch am „weil sich so g’hört“ an, „um keine schlechte Nachrede zu haben“.
ABER
Tatsächlich sind wir gerade dabei BESTATTUNGS-GESCHICHTE zu schreiben.
Zum ersten Mal in der Geschichte Mitteleuropas sind wir frei zu hinterfragen was am „Letzten Tag“ zu geschehen hat. Kein Monarch, der vorgibt. Keine strengen Altvorderen auf deren Wort gehört wird. Wir sind hip, wir sind modern, wir entscheiden selbst - Dank des Verlustes unserer Traditionen. Wir würden uns sonst das „weil sich’s so g’hört“ niemals zu hinterfragen trauen.
Wir sind verbunden und informiert. Hören und bekommen mit, dass andere ganz anders tun. Sind neidisch auf sie und versuchen doch stolz zu sein auf unsere Bestattungskultur. Dabei beginnen wir sie zu verändern. In unserem Sinne.
„Wir haben nie darüber gesprochen“, beginnt mit sich emanzipierenden Kunden zu verschwinden. Und wer erlebt hat und darüber berichtet, dass ein Begräbnis so viel liebevoller, schöner, wertiger oder menschlicher sein kann, als man das vielleicht erwarten würde – der verändert die Erwartungshaltung zukünftiger Begräbnis-Besteller mit seinen Erzählungen.
„Ja aber das Begräbnis ist doch gar nicht so wichtig – hat der Opa immer schon gesagt“
Ja aber Opa stammt auch aus einer Zeit, in der das sich um seine eigenen Gefühle und Seele zu kümmern nirgendwo auf der Tagesordnung gestanden ist. Menschen, die eben der Krieg und Wiederaufbau gegenüber erlebbarem Leid abgehärtet hat. Eine ganze Generation die gelernt hat das eigene Leid zu negieren, um überwinden und überleben zu können.
Das ist ein Schlag von Menschen, von dem man heute hört: „Krebs im Endstadium – er/sie hat nie gejammert. Die Pension war winzig und trotzdem haben die Enkelkinder immer etwas bekommen. Die Größte Freude hast du ihm/ihr gemacht, wenn du einfach da warst.“
Und gerade das Begräbnis von solchen großartigen Menschen soll ein verkümmertes Artur v. Hartlieb by Friederika Richter
emotional unterdrücktes Tun werden,
nur weil wir nicht den Mut haben zu hinterfragen?
Oma / Opa wußten es definitiv nicht besser. Welche Begräbnisse haben sie erlebt? Da war damals kein Geld für Pomp und Trara als ihre Großeltern oder Eltern bestattet worden sind. Wieso sollten sie davon ausgehen, dass ein Begräbins etwas Liebevolles werden könnte, wenn ihre Liebsten am Tag ihrer Beisetzung zerbombt, erschossen, vermisst oder leidvoll verletzt waren?
Da waren keine schönen Dinge aufstellbar oder intakte Hallen in denen man hätte liebevoll im Kreise der versammelten Familie aufbahren können. Wie sollte also diese Generation uns heute helfen können es für uns „schön“ zu machen?
Warum sollte eine Generation danach (die Kinder des Aufschwungs), die jeden Groschen für den Aufbau ihres Lebens gebraucht hat und am Wochenende ihren Traum vom Gartenhäuserl oder Verreisen sich beim Essen abgespart hat, Geld für ein Begräbnis parat haben wollen?
Begräbniskosten-anspar-Vereine wie „die Fakel“ oder der „Wiener Verein“ sind auch erst in den Zeiten so richtig am Markt durchgedrungen, als ihre monatlichen Raten klein genug wahrgenommen wurden, um sich eben auch eines Tages „a schönes Begräbnis für mich selbst“ leisten zu können.
Tipp:
Warte nicht erst darauf, dass dir jemand sagt, was du am Tag des Begräbnisses deiner Liebsten zu tun hast. Programmiere nicht deine Erwartung auf „den schlimmsten Tag“ und lass dich dann unvorbereitet von ihm überrollen, sondern überlege dir heute schon liebevolle Handlungen und Symbole, die dir und den Deinen dann gut tun werden.
Lass dir helfen, lass dich beraten. Suche frühzeitig das Gespräch zu Professionalisten wie Bestatter, Trauerbelgeiter, Trauerredner, Priester, Friedhofsverwalter,…
Sei informiert bevor es 5 vor 12 ist.
Sprich aktiv deine Eltern oder Großeltern auf ihre Wünsche an und mach ihnen klar, dass sie dir nichts Gutes tun, wenn sie dich ahnungslos zurücklassen oder dir gut-meinend "großen Pomp verbieten". Zeig ihnen, wie wichtig es dir ist, auch auf diesen Tag vorbereitet zu sein. Sie haben dich als Kind doch auch auf alle anderen Tage des Lebens vorbereiten wollen.
Mache dich und sie zu emanzipierten Kunden im Thema Bestattung, die wissen WAS, WANN, WER, WO, WIE - WENN.
Darüber rechtzeitig / frühzeitig reden, ist der erste Schritt das kommende Leid besser zu überstehen.
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