Die Angst vor der eigenen Rührung
Für viele, denen diese Frage gestellt wird, ist sie eine Frage des Mutes. „Trau ich mich bei Oma’s Begräbnis etwas zu sagen? Erwarten das nicht alle von mir? Was bin ich für ein Enkerl, wenn ich nicht wenigstens das für sie zusammenbringe?“
In meinen Vorgesprächen mit meinen Auftraggebern frage ich jeden: “..wollen Sie selbst etwas zur Zeremonie beitragen?“ Die meisten sagen:
„Nein. Das traue ich mich nicht.“
„Haben Sie keine Angst. Es wäre völlig OK wenn Sie hängen bleiben oder es auch nur Rotz und Wasser wird. Das ist ihr Moment mit ihr. Das muß keiner verstehen, was sie ihr da vorlesen oder erzählen. Das Wichtigste ist, es kommt von Herzen. Sie wird es hören. Und wer das nicht verstehen kann, der hat dann dort in der Halle sowieso nichts zu suchen.“, sage ich dann darauf.
Begraben und Bestatten ist leider in unserem Kulturkreis etwas, das wir lieber anderen überlassen. Ich darf da nicht meckern, sonst gäbe es ja auch meinen Berufstand nicht. Aber für mich ist zum Beispiel ganz klar, ich werde selbst den Sarg meiner Eltern tragen.
Ich werde beitragen, denn ich weiß, dass jede Handlung, die ich bewusst setze, meiner Trauer eine ganz neue Bedeutung geben wird.
Woher ich das weiß? Weil ich vor 12 Jahren beim Begräbnis meiner Großmutter mich nicht getraut habe, ihr etwas auf meinem Dudelsack vorzuspielen. Amazing Grace sollte es sein. Ich habe es nicht gemacht. Zu peinlich, nicht wichtig, nicht hervorspielen, zu seltsam, was wenn ich mich verspiele? Ich habe mich 9 Jahre lang in den Hintern gebissen es nicht getan zu haben.
Vor 3 Jahren frägt mich eine Familie, die mein seltenes Hobby kennt, ob ich nicht zu Papa’s Begräbnis in Kilt und mit Pipes die Grabrede halten und spielen könnte. Und so stehe ich also danach mit meinem Instrumentenkoffer in der Hand außerhalb der Friedhofsmauer und denke mir: “so, und jetzt fährst du zur Oma nach Meidling“.
Ich habe diese Geschichte schon unzählige Male Hinterbliebenen erzählt. So auch zuletzt in Hietzing, wo die Enkeltochter mit ihrer Flöte stand und nicht wußte, ob sie es zusammenbringt, der Oma auch ein paar Worte zu sagen. Ich habe ihr meine Geschichte erzählt. Sie hat gelächelt, Mut gefasst und beschlossen sie wird es versuchen. Ihr Verlobter solle neben ihr stehen und beim Vorlesen einspringen, wenn sie hängen bleiben sollte.
Er blieb arbeitslos. Sie spielte grandios und laß ganz stolz und glücklich ihre Zeilen ihrer Oma und allen Anwesenden laut und deutlich vor. Und die Träne in ihrem Aug war völlig OK und gar nicht so schlimm.
Da fällt mir mein schönstes Begräbnis ein. Es ist das, bei dem ich kein Wort gesagt habe. Obwohl es ein privates Treffen im Vorfeld, Mailverkehr und Telefonate zur Vorbereitung gegeben hatte. Ich stand einfach nur daneben. Als diese grandiose Mama von ihrem Jungen abschied nahm, der von seiner Maturareise nicht nach Hause gekommen war. Als sie diese vier A4 Seiten in ihrem Herzen so verinnerlicht hatte – ihm genau das zu sagen – dass sie weder Zettel noch mich gebraucht hat, um als Backup einzuspringen. Und ich bin bis heute so dankbar, dass ich dieses Begräbnis erleben durfte.
Die Antwort auf die Frage unseres Blogthemas heute ist ganz leicht:
Tipp:
Hör auf dein Herz und wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, sag einfach: "DANKE".
Wenn man dich frägt ob du selbst beim Begräbnis sprechen möchtest, überlege ob du die gesamte "Moderation" machen möchtest; Also selbst für euch alle euren Ritus gestalten willst und durch den Ablauf führen möchtest. Oder ob du Redner oder Priester für das "Rahmenprogramm" buchen möchtest und selbst eine Wortspende abgeben willst. Zweiteres macht es dir leichter, kürzer und läßt dich auch endlich selbst an diesem Tag zur Ruhe von all den Begräbnisbesorgungen kommen und dich mal auf dich selber konzentrieren.
Und wenn nicht, sollst du wissen, dass es jemanden wie mich gibt, dem du deinen Zettel, wenn du nicht magst oder hängen bleibst, einfach in die Hand drücken kannst und ich lese für dich vor.
Mache dich zu einem emanzipierten Kunden im Thema Bestattung. Denn der Tag wird kommen, an dem man dich fragen wird: „Möchtest du selber etwas sagen?“.
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